Die Endokrinologin antwortet: Wie beeinflusst die Umwelt das Hormonsystem und welchen Einfluss hat Mikroplastik?

Doz. Dr. PhD Maja Baretić, Prim. Dr. med., Fachärztin für Innere Medizin mit Subspezialisierung für Endokrinologie und Diabetologie

Hormone sind chemische Verbindungen, die in endokrinen Drüsen gebildet werden und wirken als Botenstoffe, die durch unseren Organismus und unser Gewebe wandern und dem Körper Anweisungen geben. Hormone beeinflussen eine Reihe unterschiedlicher Prozesse, darunter das Wachstum und die Entwicklung des Organismus, die Art und Weise, wie unser Körper Energie aus der Nahrung gewinnt, Geschlechtsmerkmale und die Stimmung.

Aber, wenn die endokrinen Drüsen nicht richtig arbeiten, also zu viel oder zu wenig Hormone produzieren, kommt es zu einem Ungleichgewicht der Hormone. Sogar der geringste Unterschied in der Konzentration eines Hormons kann eine ganze Reihe von Problemen verursachen, wie z.B. Gewichtszunahme oder -abnahme, Schwäche, Stimmungsstörungen, Veränderungen des Blutdrucks, Anstieg oder Abfall des Blutzuckers, Haarausfall und Ähnliches. Die Kombination solcher Symptome führt auch zu komplexeren Problemen wie z.B. Unfruchtbarkeit.

Für Veränderungen im Hormonhaushalt gibt es eine Reihe von Ursachen. Einige von ihnen treten erwartungsgemäß während des Wachstums und der Entwicklung auf, andere sind das Ergebnis von Erkrankungen der Drüsen, die Hormone absondern. In letzter Zeit wird immer häufiger über die Auswirkungen von Chemikalien aus der Umwelt auf die allgemeine Gesundheit gesprochen. Verbindungen, die den Hormonhaushalt beeinflussen, werden als endokrine Disruptoren bezeichnet. Es handelt sich auch um Chemikalien, welche die ordnungsgemäße Funktion des endokrinen Systems stören und denen wir auf unterschiedliche Weise, z.B. durch Luft, Nahrungsmittel, Wasser, Hautpflegeprodukte usw. ausgesetzt sind.

Auf die Fragen, was endokrine Disruptoren sind, ob die Umweltverschmutzung die Hormone beeinflusst und hat sie Auswirkungen auf den Menschen? Für X-Lab - das Expertenforschungszentrum von JGL - antwortete Doz. Dr. PhD Maja Baretić, Fachärztin für Innere Medizin mit Subspezialisierung für Endokrinologie und Diabetologie vom Klinischen Krankenhauszentrum Zagreb.

WARUM WIRD SO OFT ÜBER HORMONE GESPROCHEN?

  • Die Faszination mit Hormonen und hormonellen Veränderungen liegt in der Tatsache, dass eine kleine Veränderung ihres natürlichen Gleichgewichts unglaubliche Folgen für unseren Körper haben kann. Wie stark der Einfluss von Hormonen ist, lässt sich auch an physiologischen Lebensveränderungen wie Pubertät, Schwangerschaft, Andropause und Wechseljahren erkennen. Dann kommt es uns so vor, als hätte sich der Organismus plötzlich völlig verändert.
  • Das Wort Hormon ist griechisch und bedeutet „in Bewegung setzen“ oder „Antreiber“. Genau das machen Hormone: Sie stimulieren eine Reihe verschiedener Prozesse im Körper wie Wachstum, Entwicklung, Geschlechtsmerkmale, Stoffwechselzustand, psychische Veränderungen und eine Reihe anderer Zustände. Sie wirken sich auf den ganzen Körper aus.
  • Es ist unglaublich, dass solch kleine Moleküle, die aus endokrinen Drüsen ausgeschieden werden, selbst bei einer geringen Abweichung vom Normalzustand enorme Schäden im Körper anrichten können – das Wachstum des Kindes für immer stoppen, Unfruchtbarkeit verursachen, zu extremer Gewichtszunahme führen, das Aussehen komplett verändern...

WER IMITIERT HORMONE, WAS VERSTEHT MAN UNTER ENDOKRINE DISRUPTOREN?

Hormon-Imitatoren

Über Hormone wissen wir schon viel, aber es gibt auch noch viel herauszufinden. Das Erbe der Zivilisation und die moderne Lebensweise führen zu einer anderen Umwelt als der, an die der Urmensch (Homo sapiens) gewöhnt war. Heute wissen wir mit Sicherheit, dass eine Reihe chemischer Verbindungen aus der Umwelt den Hormonstatus verändern kann. Wir nennen solche Verbindungen endokrine Disruptoren, Hormon-Imitatoren.

Definition der Weltgesundheitsorganisation

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation sind endokrine Disruptoren von außen zugeführte Substanzen oder Mischungen, die die Funktion des Hormonsystems verändern und dadurch gesundheitlich schädliche Wirkungen im Organismus, bei seinen Nachkommen oder (Sub-)Populationen verursachen. 

Wie wirken endokrine Disruptoren?

Es handelt sich um verschiedene Verbindungen mit unterschiedlicher Wirkung. Einige von ihnen imitieren Hormone, sodass es beispielsweise möglich ist, dass bei Männern ähnliche Substanzen wie weibliche Sexualhormone vorkommen, was letztendlich zu Unfruchtbarkeit führt. Einige endokrine Disruptoren blockieren die Hormonsynthese oder binden sich an die Stelle, an der das Hormon selbst wirken soll. Endokrine Disruptoren wirken sich auch auf das Fettgewebe aus und führen zu einer Gewichtszunahme. Sie können auch die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen.

WIE GELANGEN ENDOKRINE DISRUPTOREN IN DEN ORGANISMUS?

Bei endokrinen Disruptoren handelt es sich meist um kleine Partikel, die sich leicht und schnell in der Umwelt ausbreiten, sodass wir sie sogar in Teilen der Welt entdecken, die als unberührt gelten. Wir sind ihnen auf verschiedene Weise ausgesetzt:

1. durch die Luft, die wir atmen

2. durch die Nahrung, die wir essen

3. durch das Wasser, das wir trinken

4. durch einige pharmazeutische und kosmetische Produkte für persönliche Hautpflege

MIKROPLASTIK UND ENDOKRINE DISRUPTOREN

Mikroplastik sind kleine Plastikteile, die kleiner als 5 mm sind und die Luft, das Wasser und die Lebensmittel, die wir essen, verschmutzen. Mikroplastik breitet sich schnell aus, ist in der Umwelt allgegenwärtig und löst zu Recht große öffentliche Besorgnis aus. Mikroplastik kann endokrine Disruptoren an ihrer Oberfläche binden oder ist aufgrund seiner Zusammensetzung ein endokriner Disruptor. Einer von ihnen ist auch Bisphenol A (BPA) - eine chemische Verbindung, die zur Herstellung von bestimmten Kunststoffen verwendet wird, um deren Festigkeit zu sichern. Auf unseren Körper hat er eine ähnliche Wirkung wie Östrogen und darum wird er als ein endokriner Disruptor betrachtet.

Kürzlich wurde in Italien im Küstenbezirk San Benedetto del Tronto eine Studie durchgeführt, die Mikroplastik aus dem Meer untersuchte, bzw. das Vorhandensein verschiedener Schadstoffe auf der Oberfläche dieser winzigen Plastikpartikel. Mehrere endokrine Disruptoren wurden gefunden. Untersuchungen bestätigen außerdem auch, dass die Verschmutzung der Meere mit Mikroplastik zu einem Rückgang der Fischpopulation führt, vor allem aufgrund der negativen Auswirkungen von Mikroplastik auf die Fortpflanzung.

Einige Studien haben auch gezeigt, dass sich auf der Oberfläche von Mikroplastik im Wasser ein Biofilm bildet, auf dem Viren länger leben können. Es ist bekannt, dass Patienten, die an endokrinen Störungen und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und Übergewicht leiden, einen schlechteren Verlauf bei Entzündungen haben. Interessant ist es, dass beide genannten Erkrankungen auch mit endokrinen Disruptoren in Verbindung gebracht werden.

Bisher ist es noch nicht ganz erforscht, wie sich Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit auswirkt. Aber eine niederländische Studie hat Mikroplastik im Blut von Menschen nachgewiesen. Andere Forscher haben Mikroplastik auch im Urin sowie in der Plazenta der Mutter nach der Geburt gefunden.

WARUM MACHEN UNS ENDOKRINE DISRUPTOREN SORGEN

1. Wir wissen immer noch nicht mit Sicherheit, was endokrine Disruptoren sind, wo sie alles vorkommen und wie lange sie schon dort sind. Bisher wurden nur einige davon erkannt, die dauerhaft in der Umwelt vorhanden sind, z.B. Pestizide, und mit einigen kommen wir gelegentlich in Kontakt, z.B. die in Verbraucherprodukten enthalten sind.

2. Wir wissen nicht genau, wann und wie sie wirken und ob sie bei jedem Organismus die gleiche Wirkung haben.  

3. Endokrine Disruptoren können unmittelbar nach der Befruchtung und während der Schwangerschaft den größten Schaden anrichten. In dieser Zeit können schon sehr geringe Dosen schädlicher Chemikalien weitreichende Folgen haben und Voraussetzungen für die Entstehung verschiedener Erkrankungen im Erwachsenenalter schaffen.

4. Bei Kindern wurde die Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren mit einem niedrigeren Intelligenzquotienten, einem schlechteren Gedächtnis, dem Auftreten einer Autismus-Spektrum-Störung oder einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung in Zusammenhang gebracht.

5. Einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das frühe Auftreten von Diabetes Typ 1, einer Form von Diabetes - die bei Jugendlichen auftritt und mit Insulin behandelt wird - mit einem frühen Kontakt mit endokrinen Disruptoren zusammenhängen könnte.

GIBT ES „BESSERES“ MIKROPLASTIK?

Laut dem Endocrine Society Bericht 2020 (der größten internationalen Gruppe von Wissenschaftlern und Ärzten, die sich mit Endokrinologie befassen), enthält biologisch abbaubarer Kunststoff, der als ökologischer als herkömmlicher Kunststoff dargestellt wird, ähnliche chemische Zusatzstoffe wie herkömmlicher Kunststoff und hat auch Auswirkungen auf endokrine Störungen.

10 TIPPS FÜR EIN GESÜNDERES LEBEN: WIE KANN MAN DEN SCHÄDLICHEN EINFLUSS DER UMWELT AUF DEN ORGANISMUS REDUZIEREN?

Nach der immer noch schwelenden COVID-19-Pandemie, der grassierenden Grippe und einer Reihe anderer Atemwegsinfektionen stellt sich die Frage: Wie können wir uns selber helfen? Wie verbessere ich meine Kondition und Gesundheit? Und was können wir tun, um weniger der Umweltverschmutzung ausgesetzt zu sein?

1. Mindestens sieben Stunden am Tag schlafen.

2. Das Frühstück nicht ausfallen lassen.

3. Trinken Sie Wasser und keine zuckerhaltigen Getränke. Achten Sie gleichzeitig auf die Verpackung aus der Sie trinken: Verwenden Sie Glas oder Produkte, die als „mikroplastikfrei“ gekennzeichnet sind.

4. Spazieren Sie täglich mindestens eine halbe Stunde. Ein bisschen Regen schadet nicht.

5. Essen Sie täglich frisches Obst, grünes Gemüse und Milch.

6. Naschen Sie Walnüsse und Mandeln statt Kekse.

7. Wärmen Sie keine Plastikbehälter in der Mikrowelle, durch die Erhitzung gelangt viel Mikroplastik ins Essen.

8. Reduziere Sie den Einsatz von Plastik im Alltag.

9. Lesen Sie die Deklarationen auf den Produkten 

10. Lassen Sie sich impfen und tragen Sie in Menschenmengen eine Maske

Verwandte Inhalte

Damit diese Webseite ordnungsgemäß funktioniert und Ihr Benutzererlebnis verbessert wird, verwenden wir Cookies. Weitere Informationen finden Sie in unserem Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten

Einstellungen anpassen
  • Notwendige Cookies bieten grundlegende Funktionen. Ohne diese Cookies kann die Webseite nicht ordnungsgemäß funktionieren und Sie können sie deaktivieren, indem Sie die Einstellungen in Ihrem Webbrowser ändern.